Elektromüll in Ghana

100e Kinder wir er arbeiten auf den Müllhalden in Accra
100e Kinder wir er arbeiten auf den Müllhalden in Accra
Südwind-Aktivistinnen beim Lokalaugenschein
Südwind-Aktivistinnen beim Lokalaugenschein
Südwind-Aktivistinnen beim Lokalaugenschein
Südwind-Aktivistinnen beim Lokalaugenschein
barfüßiger Schrottsammler
barfüßiger Schrottsammler

April 2009

Südwind-Aktivistinnen decken auf: Giftiger Computerabfall macht in Ghana Kinder und Jugendlichen krank.

8,7 Millionen Tonnen Elektromüll werden jährlich in Europa produziert und ein Teil davon illegalerweise nach Afrika verschifft. Vieles wird dabei als "Second-Hand-Ware" bezeichnet, ist oft aber nur mehr giftiger Elektromüll, der in Afrika und Asien die Gesundheit der Menschen bedroht.

Trotz gesetzlicher Regelungen, die die Ausfuhr von Elektromüll in Nicht-OECD-Länder verbieten, wird weniger als die Hälfte der in Umlauf gebrachten Geräte gesetzeskonform recycelt und gemeldet. In Österreich wurden im Jahr 2007 61,5 Millionen Kilogramm Elektroaltgeräte bei offiziellen Sammelstellen abgegeben. Der Rest wird privat oder auf Deponien gelagert, oder illegalerweise als Second-Hand-Ware deklariert. Als solche wird Elektromüll dann über SchrotthändlerInnen nach Afrika oder Asien verkauft.
Das ist ein gutes Geschäft: Im Jahr 2005 wurden allein nach offiziellen Zahlen täglich 1.000 benutzte Fernsehgeräte von der EU nach Afrika gebracht (Quelle: European Environment Agency Report). Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein.

Südwind Aktivistinnen waren im April auf einer Recherchereise in Ghana. Dort fanden sie heraus, was mit alten Fernsehern, Computern oder Kühlschränken passiert: Sie werden von lokalen HändlerInnen containerweise aufgekauft und an die Menschen vor Ort verscherbelt. Ob die Ware noch funktioniert, dürfen KäuferInnen nicht überprüfen. Mike Anane, ghanaischer Umweltjournalist und Experte für Elektromüll, meinte: "Die Händler zahlen nur für den Transport, für die Ware selbst zahlen sie nichts, da 90 Prozent davon Schrott ist." Auch aus Österreich gelangt dieser nach Ghana. "Ich habe schon vor 20 Jahren Reifen aus Graz importiert", erzählte der grauhaarige Besitzer eines der Geschäfte. "Jetzt bekomme ich Elektrogeräte aus Österreich. Nächsten Monat erwarte ich wieder eine große Ladung."

Alles, was sich nicht verkaufen lässt, landet auf den lokalen Müllhalden. Dort zerlegen Kinder und Jugendliche die Geräte mit bloßen Händen und verbrennen die Überreste, um an die Kupferkabel zu kommen, die sie für einen Hungerlohn weiterverkaufen. Tausende Menschen leben am Rande der Müllhalden in Slums. Durch das Verbrennen des Mülls sind sie ständig einem gefährlichen Giftcocktail ausgeliefert, der schlimme Atem- und Hautkrankheiten oder Krebs verursacht.

Vor Ort traf das Südwind-Team den elfjährigen Emmanuel. In der Hauptstadt Accra lebt er gemeinsam mit gleichaltrigen Kindern in einer Hütte am Rande der Müllhalde Agbobloshie. Jeden Tag sucht er dort nach Metall, durch dessen Verkauf er sein Überleben sichern kann. Wenige Tage zuvor hatte er sich bei der gefährlichen Arbeit am Handgelenk geschnitten. Die schmutzige Wunde, notdürftig mit einem Isolierband überklebt, blutete immer noch. "Es tut nicht mehr wirklich weh", meinte Emmanuel. "So etwas passiert halt immer wieder, wenn man hier arbeitet." Von der Gefahr, die eine mögliche Tetanus-Infektion mit sich bringt, weiß er nichts.


Auch der sechsjährige Salu lebt vom Müll. Vormittags geht er in die Schule, nachmittags sucht er Metallreste zwischen den Überresten zerbrochener Computer. 80 Pesewas (ca. 40 Eurocent) am Tag verdient Salu damit; das Geld bringt er seiner Mutter. Das Südwind-Team traf ihn am späten Nachmittag, da hatte er den ganzen Tag noch nichts gegessen. Ohne Schuhe kletterte er über die Scherbenhaufen aus zerschmetterten Monitoren. "Ich mag die Arbeit hier nicht so gerne. Manchmal werde ich krank und auch Kopfweh habe ich oft", erzählte Salu. "Immer wieder schneide ich mir auch die Füße auf. Das blutet dann ziemlich."

"Es ist ein Skandal, dass unser Wohlstandsmüll verbotenerweise in Afrika landet, wo er die Menschen in große Gefahr bringt. Die Verantwortlichen aus Politik und von Elektro- und Elektronik-Unternehmen müssen dafür sorgen, dass dieser Wahnsinn gestoppt wird.", empört sich Christina Schröder von Südwind nach dem Lokalaugenschein.
Behörden und Regierungen in Europa und Österreich sollen laut Südwind rasch für eine lückenlose Umsetzung des Exportverbots von Elektromüll sorgen. Weiters solle es verstärkte Kontrollen der bestehenden Verordnungen geben und das ordnungsgemäße Recycling aller in Europa und in Österreich anfallenden Elektroaltgeräte sichergestellt werden.
Auch die Elektro- und Elektronik-Unternehmen sollten in die Pflicht genommen werden und Elektrogeräte ohne gefährliche Inhaltsstoffe wie Quecksilber oder giftige Flammschutzmittel herstellen, für eine längere Haltbarkeit der Produkte sorgen sowie die Möglichkeiten zur Reparatur und zum Nachrüsten erleichtern.

"Konsumentinnen und Konsumenten können zu einer Besserung der Missstände beitragen, indem sie alte Elektrogeräte zu entsprechenden Sammelstellen der Gemeinden oder zu einem "ReUse"-Zentrum bringen, das für Reparatur und Wiederverwendung in Österreich sorgt. Keinesfalls soll Elektromüll an private Schrotthändler weitergegeben werden.", empfiehlt Christina Schröder.

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