Sorgfaltspflichten von Unternehmen helfen dabei, entlang globaler Lieferketten die Menschenrechte, die Umwelt und das Klima zu schützen. Damit Sorgfaltspflichten effektiv sind, muss das Unternehmen eine Risikoabschätzung für alle Teile der Wertschöpfungskette durchführen.
Im Idealfall werden potenziell negative Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt frühzeitig erkannt und Präventivmaßnahmen umgesetzt. Dort, wo es bereits negative Auswirkungen gibt, muss das Unternehmen diese beenden und Abhilfe für Betroffene leisten. Schließlich muss das Unternehmen eine Beschwerdestelle einrichten und über seinen Umgang mit (potenziell) nachteiligen Auswirkungen entlang der Wertschöpfungsketten berichten. Um eine unabhängige Kontrolle sicherzustellen, müssen auch Interessenvertretungen wie Gewerkschaften oder zivilgesellschaftliche Organisationen miteinbezogen werden.
Was bedeuten Sorgfaltspflichten?
Wie entsteht das EU-Lieferkettengesetz?
Beim EU-Lieferketten Gesetz handelt es sich um die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD; kurz: „EU-Lieferkettengesetz“). Bei Richtlinien wird ein zu erreichendes Ziel festgelegt, das von den einzelnen EU-Mitgliedsländern eigenständig umgesetzt und im jeweiligen nationalen Recht verankert werden muss.
In der Europäischen Union sind die Europäische Kommission, der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament in die Gesetzgebung eingebunden. Die EU-Kommissar:innen haben im Februar 2022 einen Gesetzesentwurf vorgelegt. In weiterer Folge haben der Rat im Dezember 2022 und das Parlament im Juni 2023 ihre Positionen zum Gesetz ausgehandelt und per Abstimmung festgelegt. Im Rahmen der im Herbst 2023 stattfindenden Trilog-Verhandlungen soll ein Kompromiss zwischen den Positionen von Kommission, Parlament und Minister:innenrat ausgehandelt werden. Dieser Kompromiss soll abschließend vom Rat und dem Parlament formell verabschiedet werden. Es ist noch unklar, wann das EU-Lieferkettengesetz in Kraft tritt und bis wann es implementiert werden muss.
Was sind die Positionen?
Im Vergleich zum ersten Vorschlag der EU-Kommission und zur Position des Rates der Fachminister:innen enthält die Position des Europäischen Parlaments wesentliche Verbesserungen. Die Abgeordneten zum EU-Parlament haben im Juni 2023 einen Vorschlag angenommen, wonach das Gesetz schon für Unternehmen mit 250 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro gelten würde. Das Gesetz würde außerdem für die gesamte Wertschöpfungskette gelten und nicht nur für Teile davon und eine zivilrechtliche Haftung vorsehen. Was von Menschenrechtsorganisationen weiterhin kritisiert wird, ist, dass die Beweislast bei Vergehen auf den Schultern der Betroffenen liegt. Unternehmen müssen somit nicht nachweisen, dass sie die Regeln eingehalten haben. Auch Sorgfaltspflichten für Klimaauswirkungen von Unternehmen fehlen.
Die Position des Rates hat weitreichende Zugeständnisse an Unternehmen vorgesehen. Demnach würde das EU-Lieferkettengesetz in den ersten drei Jahren nur Unternehmen mit 1.000 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz von 300 Millionen Euro betreffen und erst in den Folgejahren weitere Unternehmen verpflichten. Besonders problematisch ist zudem, dass der gesamte Finanzsektor vom EU-Lieferkettengesetz ausgenommen werden soll.
Auch laut Entwurf der EU-Kommission würde das Gesetz aufgrund einer Größeneinschränkung für 99 Prozent der Unternehmen innerhalb der EU nicht zur Anwendung kommen. Hier wurden 500 Beschäftigte als Maß genommen und ein Umsatz von mehr als 150 Mio. Euro bzw. in Hochrisikosektoren mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 40 Mio. Euro.
Lobbying gegen das EU-Lieferkettengesetz?
Noch bevor der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission präsentiert wurde, war er bereits Gegenstand von zahlreichen Lobbyingaktivitäten. Mails, Briefe und Dokumente zeigen, wie Lobbyist:innen das Regulatory Scrutiny Board (RSB; Ausschuss für Regulierungskontrolle) nutzten, um das Gesetz zu verschleppen. Das RSB berät innerhalb der Kommission die Kommissions-Mitglieder. In mehreren Fällen während der Verhandlungen zum Lieferkettengesetz kam es aufseiten des RSB zu nicht nachvollziehbaren Entscheidungen zugunsten von Wirtschaftsvertreter:innen. Unter anderem hat das RSB die Entwürfe der EU-Kommission, die das EU-Lieferkettengesetz betrafen, gleich zweimal zurückgewiesen und dadurch den Prozess um mindestens acht Monate verzögert. Nähere Infos in der Investigativ-Recherche “Inside Job” des Corporate Europe Observatory.