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Südwind-Protestmails zeigen Wirkung: Wortmann, einer der größten Konzerne in der Lederindustrie, lädt zum Gespräch über Nachhaltigkeit

Die Lederindustrie ist aufgrund der prekären Arbeitsbedingungen ein ausgewiesener Hochrisikosektor. Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, hat Südwind gemeinsam mit der Initiative #TogetherforDecentLeather bei Modehändlern nach der Herkunft ihres Leders sowie den Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten nachgefragt. Eines der Unternehmen, das angesprochen wurde, war der Wortmann-Konzern (Tamaris).

Obwohl Tamaris nach außen hin betont, soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen, blieb das Unternehmen auf konkrete Fragen zu ihren Sorgfaltspflichten stumm. Daraufhin startete Südwind gemeinsam mit der deutschen Partnerorganisation INKOTA eine Mailingaktion an den Vorstand, bei der in kurzer Zeit 2.000 E-Mails eingingen.

Als Reaktion darauf lud der Wortmann-Vorstand zu einem Gespräch ein. INKOTA-Referent Berndt Hinzmann hatte schließlich die Möglichkeit direkt mit Wortmann-CEO Jens Beining über Transparenz und Nachhaltigkeit in der Lederindustrie zu sprechen.

Obwohl weiterhin Auffassungsunterschiede bestehen und einige wichtige Punkte wie wirksame Beschwerdemechanismen ungelöst sind, bleiben Südwind und INKOTA im Gespräch mit Wortmann und hoffen auf eine gemeinsame Verbesserung der Menschen- und Arbeitsrechte in der Lederindustrie. Der Austausch zwischen Zivilgesellschaft und Wirtschaft ist ein Schritt in die richtige Richtung und lässt auf Verbesserungen hoffen.

#TogetherforDecentLeather zeigt auch, dass durch kritisches Nachfragen Bewegung in einen starren Sektor gebracht werden kann. Südwind beobachtet die Entwicklungen in der Lederindustrie weiter und hofft auf sichtbare Fortschritte für Mensch und Natur.

Was läuft falsch in der globalen Leder-Lieferkette?

Arbeiter in einer indischen Lederfabrik / Cividep
Arbeiter in einer indischen Lederfabrik / Cividep

Millionen von Menschen auf der ganzen Welt schuften unter schrecklichen Arbeitsbedingungen für die Herstellung von Lederbekleidung, Schuhen und Accessoires.

Eine besonders wichtige Drehscheibe für die Lederverarbeitung ist Südasien. In Indien, Pakistan und Bangladesch sind etwa 3 Millionen Arbeiter:innen in der Lederwertschöpfungskette tätig, zu der Gerbereien, kleine Lederwerkstätten, Heimarbeitsplätze sowie große und kleine Bekleidungs-, Schuh- und Lederwarenfabriken gehören. Wichtige Produktionszentren sind die Bezirke Vellore und Chennai in Tamil Nadu, Indien, der Großraum Karatschi in Pakistan und der Großraum Dhaka in Bangladesch.

Untersuchungen in diesen Produktionszentren zeigen, dass die Rechte der Arbeitnehmer:innen systematisch verletzt werden, dass sie mit arbeitsbedingten Gesundheitsproblemen zu kämpfen haben und von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen sind.

Verstöße gegen die Arbeitsrechte

Die Rechte der Lederarbeiter:innen werden systematisch missachtet. Viele Arbeiter sind gezwungen, Überstunden zu machen. Die Löhne der Lederarbeiter liegen oft weit unter den Lebenshaltungskosten. Da sie nicht in der Lage sind, Miete, Lebensmittel und Arztkosten zu bezahlen, nehmen sie Kredite bei ihren Arbeitgeber:innen oder Kredithaien auf. Dies führt zu weiteren Problemen. Kinderarbeit ist in der gesamten Branche weit verbreitet. Um das Familieneinkommen aufzubessern, brechen Kinder vielfach  die Schule ab.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeitnehmer:innen in diesem Sektor nicht die grundlegenden Rechte der Vereinigungsfreiheit und der Tarifverhandlungen genießen, die ihnen helfen würden, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Unsichere Arbeitsbedingungen

In der Gerbereiindustrie in Bangladesch, Pakistan und Indien kommen häufig gefährliche Chemikalien zum Einsatz, darunter auch die Chemikalie Chrom, die intensiv genutzt wird. Die Arbeit mit dieser giftigen Substanz führt zu ernsthaften Gesundheitsproblemen, wie Atemwegserkrankungen und lästigen Hautinfektionen. Der Einsatz unsicherer schwerer Maschinen und das Fehlen angemessener Schutzausrüstungen, insbesondere in Zeiten des Coronavirus, tragen zur Gefährdung der Arbeiter:innen bei.

Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Kaste

Lederarbeiter:innen können von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung aufgrund von Klasse, Kaste, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder Religion betroffen sein. Zu den gefährdeten Gruppen, die unter sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung leiden, gehören insbesondere weibliche Arbeitnehmer, Dalits und Muslime, Migranten und Heimarbeiter.

Auswirkungen der Coronavirus-Krise

Die Coronavirus-Pandemie hat den Kontext und die Umstände in der globalen Lederlieferkette verändert. Infolge der Pandemie wurden internationale Aufträge storniert, Gerbereien und Fabriken geschlossen und Lederarbeiter:innen entlassen, oft ohne jegliche Entschädigung oder Einkommensquelle. Die am meisten gefährdeten Arbeitnehmer:innen sind am stärksten betroffen. Ohne zusätzliche Unterstützungspakete und Lebensmittelrationen wären sie nicht in der Lage zu überleben.

Über das Projekt

Together for Decent Leather ist ein dreijähriges Programm, das von einem europäisch-asiatischen Konsortium aus sieben Organisationen der Zivilgesellschaft durchgeführt wird. Mitglieder sind Arisa, die Bangladesh Labour Foundation, Cividep India, Inkota Netzwerk, NOW Communities, SOMO und Südwind.

Südasien ist eine wichtige Drehscheibe für die Lederverarbeitung. Untersuchungen dort zeigen, dass die Rechte der Arbeitenden systematisch verletzt werden, sie mit arbeitsbedingten Gesundheitsproblemen zu kämpfen haben und unter sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung zu leiden haben. Die COVID-19 Pandemie hat die Situation der Arbeitenden noch weiter verschlimmert. Ohne Unterstützung könnten sie nicht überleben. Together for Decent Leather will nicht nur auf die unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie reagieren, sondern auch die längerfristigen Folgen aufzeigen.

Unsere Ziele:

Das Programm zielt darauf ab, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Lederwertschöpfungskette zu verbessern. Staaten sollen den Schutz von Arbeits- und Menschenrechten gegen Verstöße durch den Privatsektor durchzusetzen.

Wir fordern:

  • ein Ende der Verstöße gegen Arbeitsrechte
  • dass staatliche Akteure und Unternehmen Verantwortung übernehmen, indem sie sich an die höchsten internationalen Arbeits- und Menschenrechtsstandards halten und diese auch fördern
  • ein stärkeres Engagement des Privatsektors bei der Erfüllung seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten

Wie wir unsere Ziele erreichen wollen:

  • Erforschung und Aufdeckung von Arbeitsrechtsrisiken und -missbräuchen
  • Stärkung der Kapazitäten der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften, sich für die Rechte der Arbeitnehmer einzusetzen
  • Zusammenarbeit mit Verbrauchern und den Medien zur Unterstützung unserer Ziele
  • Advocacy-Aktivitäten, um den privaten Sektor zu überzeugen, Verantwortung zu übernehmen
  • Advocacy-Aktivitäten, um staatliche Akteure zu ermutigen, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Rechte der Arbeitnehmer schützen.

Publikationen

Bericht: Qualitätsstandards und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten. Label Check: Leder und Lederschuhe
Februar 2023

Der Bericht gibt einen Überblick über Ziele und Geltungsbereich von fünf unterschiedlichen Zertifizierungssystemen. Berücksichtigt wurden sowohl ökologische und soziale Kriterien als auch die Bereiche Tierwohl und Transparenz. Die Grundlage für die Analysen bilden öffentlich zugängliche Informationen. Die Bewertung wird in einer Matrix zusammengefasst und die jeweiligen Anforderungen und deren Umsetzung farblich kennzeichnet.

Bericht:
 Ungesund, unsicher und unterbezahlt – Arbeitsbedingungen in Südasiens Fabriken für Leder, Lederwaren und Schuhe
Dezember 2022

Die Lederbekleidungs-, Schuh- und Accessoire-Industrie ist bekannt für Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen sowie für Umweltschäden in den verschiedenen Produktionsstufen. In vier Regionalstudien über die Lederindustrie und die Arbeitsbedingungen in den Ländern Bangladesch, Indien und Pakistan gibt es umfassende Informationen. Die Studien wurden 2022 von „Together for Decent Leather“ durchgeführt. In diesem Infoblatt werden die Erkenntnisse der Studien zusammengefasst.

 

Bericht: "Indecent work and hidden supply chains" (englisch)
November 2022

Dieser Bericht enthält Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus neuen Forschungsarbeiten. Die Autor:innen haben kurze Fragebögen an 27 Unternehmen, die Leder und Lederschuhe aus Bangladesch importieren, ausgeschickt mit dem Ziel, Einblicke in ihre Einkaufspraktiken zu erhalten. Entsprechend der geringen öffentlichen Transparenz der Lieferkette in der Branche war die Rücklaufquote sehr niedrig. Nur sechs Unternehmen antworteten auf die Anfrage von SOMO: Artsana, Clarks, Decathlon, Deichmann. Dr. Martens und Zalando. Zu den Unternehmen, die nicht geantwortet haben, gehören Eram, Euro Shoe Group, Scapino und Wortmann.

 

Bericht: "Spot-Light auf Leder": Eine Analyse von 100 Unternehmen bezüglich der Transparenz in der Lieferkette (deutsche Übersetzung)
Oktober 2022

Kurzfassung der englischsprachigen Studie „Shine a light on leather: supply chain disclosure practices of 100 companies analysed”. Die niederländische NGO SOMO untersuchte für die Studie die Praxis und Policy zur Lieferkettentransparenz von 100 international einkaufenden Unternehmen: Markenfirmen, Einzelhändlern, Online-Händlern („E-Tailer“) und Modekonzernen, die Lederjacken und -hosen, Schuhe, Gürtel, Handschuhe, Taschen und ähnliche Produkte verkaufen.       

 

Bericht: "Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in der Lederindustrie von Bangladesch" (deutsche Übersetzung)
September 2022

Studie zu Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in der Lederindustrie von Bangladesch. Im Mittelpunkt stehen die spezielle demografische und sozioökonomische Situation der Gerbereiarbeiter:innen, ihre Vereinigungsfreiheit und ihr Recht auf Kollektivverhandlungen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie die Arbeits- und Beschäftigungspraktiken in den Gerbereien. Die Studie stützt sich dabei sowohl auf quantitative als auch auf qualitative Datenerhebungs instrumente, um detaillierte Informationen über die Gerbereiarbeiter:innen zusammenzutragen.

 

Unternehmensbefragung: "Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Praxis": Wie kommen Unternehmen ihrer Verantwortung für Menschenrechte in der globalen Lieferkette von Leder(waren) und Schuhen nach?
Juni 2022

Befragung bei ausgewählten Unternehmen zur Policy und Umsetzung von menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht durch. In diesem Sinne geht der vorliegende Bericht der Frage nach, wie ausgewählte Anbieter von Lederbekleidung und Schuhen in Österreich und Deutschland, darunter Marktführer im Online-Handel, Einzelhändler und Hersteller ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Für die Befragung wurde bewusst eine kleine Stichprobe von zehn sehr unterschiedlichen Unternehmen, die in Deutschland, Österreichs und darüber hinaus auf dem europäischen Markt, mit Lederprodukten vertreten sind, ausgewählt.

 

Bericht: Corona-Chroniken - Wie Lederarbeiter*innen von der Corona-Krise getroffen werden (deutsche Übersetzung)
11. Oktober 2021

Bericht über die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf einen bestimmten Teilsektor der globalen Bekleidungs- und Schuhindustrie in den Fokus: die Lederwarenproduktion in der Bekleidungs-, Schuh- und Accessoire-Industrie

 

Bericht: Trends in production and trade: Leather products from Bangladesh (englisch)
30. Juni 2021

Überblick über die Trends bei der Produktion und dem Export von Leder und Lederwaren aus Bangladesch. Der Bericht basiert auf Angaben in öffentlichen und abonnementpflichtigen Datenbanken über Exporttrends, Exportdestinationen, wichtigen Hersteller und Abnehmern.

 

Bericht: Trends in production and trade: Leather products from India (englisch)
19. Mai 2021

Überblick über die Trends bei der Produktion und dem Export von Leder und Lederwaren aus Indien. Die Import- und Exportdaten wurden aus drei spezifischen Datenbanken abgerufen. Die globale Handelsdatenplattform Panjiva wurde genutzt, um Trends beim Export von Leder und Lederprodukten aus Indien aufzuzeigen. Diese spezielle Funktion von Panjiva basiert auf Daten, die aus der UN Comtrade Database stammen. In Panjiva konnten auch die wichtigsten Exporteure und Käufer von Leder und Lederprodukten, die aus Indien versandt werden, ermittelt werden. Eine Vorstellung von den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die indische Exportindustrie von Leder und Lederprodukten wurde durch den Vergleich der Versanddaten von 2019 und 2020 gewonnen. Neben Panjiva wurden die EU Market Access Database und die UN Comtrade Database verwendet, um die Verbindung zwischen Indien und der EU auf der Grundlage des Importwerts von Leder und Lederwaren in die EU darzustellen.

 

Bericht: Trends in production and trade: Leather products from Pakistan
30. April 2020

Überblick über die Trends bei der Produktion und dem Export von Leder und Lederwaren aus Pakistan. Der Bericht basiert auf Angaben in öffentlichen und abonnementpflichtigen Datenbanken über Exporttrends, Exportdestinationen, wichtigen Hersteller und Abnehmern.

 

Recherche: Corona analysis Bangladesh (englisch)
27 Mai 2020

Erhebung von Bangladesch Labour Foundation zu den Erfahrungen der Gerbereiindustrie in Bangladesch als Folge der Pandemie. Dazu wurden Daten aus Literaturrecherchen, online-basierten Erhebungen, Inhaltsanalysen und qualitativen Interviews zusammengetragen. Grundlage sind 603 Telefoninterviews mit männlichen und weiblichen Beschäftigten der Gerbereiindustrie aus 41 Fabriken in Savar im Zeitraum von 15. April bis zum 15. Mai 2020. 

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