Das Lateinamerika Filmfestivals Salzburg, das in Kooperation mit dem Lateinamerika Komitee Salzburg zum 15. Mal veranstaltet wurde, ging mit einem sensationellen Besucherrekord zu Ende. Rund 6.500 Menschen haben in 12 Festivaltagen Filme aus 10 verschiedenen Länder Lateinamerikas Filmvorführungen und Filmgespräche besucht. Das vielfältige Programm hat 27 Spiel- & Dokumentarfilme aus 10 lateinamerikanischen Ländern umfasst. Schwerpunkte dieser Festivalausgabe waren die Themen „Widerstand“ und „Indigenen Lebenswelten“.
Ein Festivalhighlight:
Zum ersten Mal in der 30-jährigen Geschichte des Festivals gab es einen Jugendjury-Wettbewerb. In Kooperation mit der entwicklungspolitischen NGO Südwind Salzburg hatten filmbegeisterte Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren die Möglichkeit, den besten Film in dieser Kategorie zu prämieren. Mit Workshops, Diskussionen nach den Kinobesuchen und einer Jurysitzung kamen die jugendlichen Juryteilnehmer:innen zur Entscheidung, den Film La hija de todas las rabias / Daughter of Rage von Laura Baumeister aus Nicaragua zu auszuzeichnen - einen Film, der seinem Entstehungsland selbst zensiert ist. Dotiert war der Preis mit €1.000 und wurde vom Lateinamerika Filmfestival gestiftet. März in Anwesenheit der Juryteilnehmer:innen und Südwind Salzburg im DAS KINO statt. Anschließend wurde der Siegerfilm nochmals gezeigt.
GEWINNERFILM - JUGENDJURY-WETTBEWERB
La hija de todas las rabias / Daughter of Rage (Nicaragua)
Dotiert mit €1.000, gestiftet vom Lateinamerika Filmfestival
Jurybegründung
Laura Baumeister hat ihren Film ,,La hija de todas las rabias‘‘ als erste Frau in Nicaragua, trotz zahlreicher schwieriger Umstände, verwirklicht. Uns hat das sozialkritische Werk einen einzigartigen und erschreckend realitätsnahen Einblick in ihr Heimatland, ein Land des globalen Südens, vermittelt. Die junge Laiendarstellerin hat durch ihre authentische Performance einen ungeschönten Eindruck in das Leben eines aus armen Verhältnissen stammenden Mädchens geschaffen. Sie zeigt uns, wie viele Kinder aufgrund ihres Umfelds zum schnellen Aufwachsen gezwungen werden. Der Film zeichnet sich durch eindrucksvolle Totalen und intime Kameraführung aus. Mithilfe der Traumsequenzen, in denen die Mutter metaphorisch als tierartig dargestellt wird, wird die Beziehung emotional vertieft und regt zum Nachdenken an. Die Geschichte einer Tochter, die mit der Trennung von ihrer Mutter zurechtkommen muss, hat uns zutiefst berührt.
Danksagung von Regisseurin Laura Baumeister
Ich möchte mich im Namen des gesamten Teams und im Namen der Schauspielerinnen sehr herzlich bedanken für die Anerkennung, die das Lateinamerika Filmfestival und die Jugendjury unserem Film entgegengebracht hat. Der Preis kommt zu einem guten Zeitpunkt – der Film ist schon an vielen Orten und Festivals gezeigt worden. Umso mehr freut es mich, dass die Reise von „La hija de todas las rabias“ in neue Städte weitergeht und der Film so gut beim jungen Publikum ankommt. Und ich bin sehr dankbar dafür!
Jugendjury-Mitglieder
Florentina Aschauer, Valeria Cortes Archila, Teofan Damjanovic, Emilia Fankhauser, Dominik Flöckner, Valentin Hubauer, Kathrin Kopplinger, Mariel Lenk, Emilia Mauthner & Olivia Weiß
FILMINFO: Nicaragua 2022, Regie: Laura Baumeister, mit: Ara Alejandra Medal, Virginia Sevilla, Noé Hernández; 91 Min, span. OmU
Die elfjährige María lebt mit ihrer Mutter Lilibeth in einer Wellblechhütte am Rande der größten Müllhalde von Managua. Täglich geht María Müll sammeln, um damit ihr Überleben zu sichern. Ihre Mutter züchtet Hunde und verkauft sie an lokale Gangster. Als der Deal mit den Hundewelpen platzt, muss Lilibeth ihre Tochter überstürzt zurücklassen. In einem illegalen Recyclingzentrum trifft María auf den fantasievollen Tadeo, der ihr helfen will. Hin- und hergerissen zwischen Wut und Sehnsucht, macht sich María auf die Suche nach ihrer Mutter und einer besseren Zukunft.
Laura Baumeister hat mit ihrem Debüt etwas Sensationelles geschafft: Noch niemand aus Nicaragua hat im eigenen Land einen Spielfilm gedreht – bis jetzt. Anhand der berührenden Mutter-Tochter-Beziehung zeigt sie eine Nation, die in einer tiefen gesellschaftlichen Krise steckt. Um trotz allem eine hoffnungsvolle Geschichte zu erzählen, setzt sie – in Anknüpfung an die Tradition des Magischen Realismus – virtuos Tiermetaphern und Traumbilder ein. In der Hauptrolle brilliert mit ihrer unvergleichlichen Leinwandpräsenz die Laiendarstellerin Ara Alejandra Medal.
„Ein poetischer und kritischer Film zugleich.“ der-andere-film.ch
PUBLIKUMSPREIS - SPIELFILM
Radical – Eine Klasse für sich
FILMINFO: Mexiko/USA 2023, Regie: Christopher Zalla, mit: Eugenio Derbez, Daniel Haddad, Jennifer Trejo, Mia Fernanda Solis, 122 Min, span. OmU
Die 12-jährige Paloma und ihr Vater leben davon, Müll zu sammeln. Nico arbeitet mit seinem Bruder für die Narcos. Lupe wiederum muss sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern. Der Alltag der drei ist geprägt von Angst und Gewalt. Sie besuchen zusammen die Schule „José Urbina López“– die schlechteste in ganz Mexiko. Ihr neuer Klassenvorstand Sergio wählt einen besonderen Weg, um seine Schützlinge aus der Sackgasse der Perspektivenlosigkeit zu befreien. Mit Einfühlvermögen und Kreativität schafft er es, die Zuneigung der Kinder zu gewinnen und ihnen Wissen spielerisch zu vermitteln. Im Lehrerzimmer stoßen allerdings seine unkonventionellen Unterrichtsmethoden auf wenig Akzeptanz.
Regisseur Christopher Zalla hat die wahre, inspirierende Geschichte von Sergio Juárez Correa verfilmt, der nach wie vor als Lehrer in Matamoros unterrichtet. Humorvoll und ehrlich vermittelt der Film, wie viel unentdecktes Potenzial in Kindern schlummern kann. An der Seite seiner grandiosen Laiendarsteller:innen verkörpert Latinostar Eugenio Derbez den passionierten Lehrer mit Leib und Seele. Ein Mut machendes Feelgood-Movie, das mitten ins Herz trifft und zeigt, wie wichtig und prägend ein Lehrer sein kann.
„Ein herausragender Film über ein wichtiges Thema.“ (DFM)
PUBLIKUMSPREIS - DOK. FILM
Tanja – Diaro de una guerrillera / Tagebuch einer Guerillera
FILMINFO: Kolumbien/Niederlande2023, Regie: Marcel Mettelsiefen, 86 Min, span./niederl. OmU
Die Niederländerin Tanja Nijmeijer nimmt 1999 eine Praktikumsstelle als Lehrerin in Bogotá an und wird dort mit dem blutigen Bürgerkrieg konfrontiert. Die politisch engagierte Studentin schließt sich der FARC an. Bald steigt sie in den inneren Kreis der Guerillabewegung auf, arbeitet als Übersetzerin, legt Bomben und muss schließlich untertauchen. 2007 werden ihre geheimen Tagebücher bei einer Razzia im Dschungel gefunden und veröffentlicht. Tanja erlangt dadurch weltweite Berühmtheit. Jahre später spielt sie eine wichtige Rolle bei den Friedensverhandlungen, die den bewaffneten Konflikt in Kolumbien beenden. Die Vergangenheit lässt die ehemalige FARC-Kämpferin jedoch nicht los.
Der preisgekrönte deutsch-ecuadorianische Kriegsjournalist und Dokumentarfilmer Marcel Mettelsiefen zeichnet das packende Filmporträt einer ambivalenten Persönlichkeit. Er lässt die mittlerweile 46-jährige Tanja selbst zu Wort kommen. Mithilfe von Archivaufnahmen und Interviews mit kolumbianischen Journalist:innen versucht er eine Antwort auf die Frage zu finden: War sie Freiheitskämpferin oder Terroristin?
„Ein facettenreiches Porträt einer streitbaren Protagonistin.“ (Kino Freiburg)