Ob Versandpaket, Einwegbecher, Fastfood-Karton oder Verpackung im Supermarkt – holzbasierte Materialien wie Papier und Karton sind allgegenwärtig. Da Holz bzw. Zellstoff ein nachwachsender und prinzipiell recyclingfähiger Rohstoff ist, gelten Verpackungen aus Karton & Co. als nachhaltig – besonders im Vergleich zu Plastik. Aber ist das so? Der Verbrauch jedenfalls steigt rasant: Papier-Verpackungen machen mit 41% den größten Teil des Verpackungsmüll in der EU aus. Im Jahr 2020 waren es 32 Millionen Tonnen und damit mehr als Plastik- und Glasverpackung zusammen!

Seit der COVID-Pandemie mit einem rasanten Wachstum des Online-Handels und der Take away-Kulinarik ist diese Tendenz nochmals gestiegen. Gestillt wird der Hunger nach Zellstoff durch gigantische Monokulturen schnell wachsender Baumarten wie Eukalyptus, etwa in Brasilien. Dort fressen die Plantagen immer mehr Fläche, einheimische Kleinbäuer:innen werden vertrieben und der Lebensraum zerstört – eine soziale und ökologische Katastrophe. SÜDWIND sieht hier dringenden Handlungsbedarf.

Eukalyptus-Plantagen – eine brandgefährliche, grüne Wüste

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Früher kam der Zellstoff für unser Papier fast ausschließlich aus Skandinavien, doch die Wälder dort sind längst übernutzt.

Heute ist Brasilien ein wichtiges Zellstoff- Erzeugerland. Die Anbaumenge hat sich dort in den letzten 20 Jahren verdreifacht.

SÜDWIND hat sich davon im Bundesstaat Bahia einen Eindruck gemacht (siehe dazu auch das Interview). Was hier wächst, ist kein Wald. Bäume in Reih und Glied, ohne Platz für Unterholz und Artenvielfalt, eine „grüne Wüste“. Die Eukalyptusbäume wachsen, so wie der globale Hunger nach Zellstoff, extrem schnell und können schon nach 6 bis 7 Jahren geerntet und zu Geld gemacht werden. In der Zeit benötigen sie allerdings unfassbare Mengen Wasser, über 200 Liter pro Baum und Tag. Wenn wir über die drohende Wasserknappheit auf dem Planeten sprechen, wird selten erwähnt, dass die Zellstoffindustrie der drittgrößte Verbraucher von Wasser ist. Hinzu kommt, wie immer bei Monokulturen, ein extrem hoher Pestizideinsatz, der die Böden, das Grundwasser und die Lebewesen langfristig vergiftet.

Auch Land, das einheimische Kleinbäuer:innen seit Generationen bewirtschaften, fällt oft Rinderfarmen und schließlich dem Eukalyptus-Flächenfraß zum Opfer. Sie werden vertrieben, ihnen bleibt keine Möglichkeit, Nahrungsmittel anzubauen, es bleiben nicht einmal Jobs. Was bleibt, sind ausgelaugte, vergiftete Böden, die durch bis zu 60 Tonnen schwere Holz Vollernter und Schwerlastverkehr so verdichtet wurden, dass sie laut Expert:innen viele Jahrzehnte brauchen, um sich zu erholen. Eukalyptus-Plantagen sind auch ein Treiber von Tropenwaldzerstörung, weil sie oft Rinderweiden verdrängen, die sich dann tiefer in den Regenwald fressen. Zudem begünstigen die Eukalyptus-Monokulturen Dürren und Waldbrände: Das Eukalyptus-Öl in Blättern und Rinde des ursprünglich aus Australien stammenden Baums ist leichter entflammbar als Diesel! Seltsamerweise werden trotz all dem immer wieder Eukalyptus-Plantagen als Klimaschutzprojekte ausgegeben – der Gipfel des Greenwashing!

Wir essen keine Zellulose

Die brasilianische Landlosenbewegung MST (Movimento Sem Terra) kämpft seit Jahrzehnten für eine Agrarreform und gegen die Ausbreitung von Eukalyptus-Plantagen. Christina Schröder von SÜDWIND hat im Rahmen ihrer Recherche für unsere Kampagne „Our food.Our future“ mit Lucineia Duraes do Rosaario/MST-Aktivistin ein Interview geführt, hier ein kleiner Auszug.

CS: Eine Gruppe von 1200 Frauen hat vor ein paar Jahren eine Eukalyptusplantage besetzt und gerodet, eine unglaubliche Anstrengung. Was ist davon geblieben?

LDR: Eigentlich besetzen wir vom MST unproduktive Flächen von Großgrundbesitzer:innen. In diesem Fall ging es im doppelten Sinn um einen symbolischen Akt. Wir haben den Eukalyptus entfernt und stattdessen Bohnen und Mais angepflanzt. Eine Aktion, die sagen soll „Wir essen keine Zellulose“. Die exzessive ungeregelte Ausbreitung von Eukalyptus-Plantagen nimmt den Menschen die Möglichkeit Nahrung anzupflanzen. Der Staat reguliert nichts, also muss die Zivilgesellschaft das übernehmen.

CS: Welchen Stellenwert haben Eukalyptus-Plantagen in der Region? Was sind die Auswirkungen?

LDR: Der Eukalyptus ist für die Papierindustrie und frisst sich durch das ganze Land. Er macht vor Gemeindeland oder heiligen Orten wie Friedhöfen nicht halt. Bezahlte Bewaffnete dehnen das Gebiet immer weiter aus. Gleichzeitig werden kaum Arbeitskräfte gebraucht. Es ist eine Pseudo-Entwicklung. Die Wirtschaftszahlen der Region sehen zwar gut aus, es wird viel Geld gemacht. Bei den Menschen kommt aber nichts davon an, denen geht es schlechter als zuvor.

Auslagerung ist keine Lösung

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Natürlich ist letztlich auch unser Konsumtreiber der Missstände. Bei vielen hat sich der Eindruck verfestigt, man bräuchte nur Plastikverpackungen durch Papierverpackungen ersetzen und schon sei alles gut – „wird eh recycelt!“. Das ist ein Irrglaube. Bei den meisten Papiererzeugnissen ist der Anteil an Frischfaser weit höher als der an Recyclingfaser. Eine nachhaltige Erzeugung der nachgefragten Menge von Papier ist längst nicht mehr möglich. Jährlich werden 3 Milliarden Bäume gefällt, um Verpackung aus Papier herzustellen. Auch aufgrund der Verunreinigung durch Essensreste ist es schwierig und energieaufwändig Papier zu recyceln. Hinzu kommt, dass viele Essensverpackungen eben nicht aus reinem Zellstoff bestehen, sondern aus Verbundmaterialien mit Kunststoff. Diese sind oft schwieriger zu recyceln als Plastik.

Es steht fest: Wir können uns nicht aus der Abfallkrise herausrecyceln! Papier und Zellstoff sind wertvolle, energieintensive Rohstoffe – ihr Verbrauch gehört eingedämmt, vor allem der Einweg-Konsum. Bisher steigt aber die Erzeugung von Papier und Zellstoff jedes Jahr weiter, genauso wie die Produktion anderer Rohstoffe. Denn nicht nur die Eukalyptus-Monokulturen wachsen, sondern auch die Soja- und die Palmöl-Monokulturen. Der Anbau wird – wie so vieles – in Länder des Globalen Südens ausgelagert, und damit ebenso die sozialen und ökologischer Schäden: Gewaltsame Vertreibung, Verlust von Lebensgrundlagen und Zerstörung von tropischen Wäldern. Es ist höchste Zeit diese „Imperiale Lebensweise“ (Markus Wissen/Ulrich Brand) zu überwinden.

Forderungen / was SÜDWIND tut

SÜDWIND ist schon seit Jahren treibende Kraft für die Verantwortung von Unternehmen in Lieferketten und gegen die ungerechte globale Verteilung der ökologischen und sozialen Kosten einer wachstumsgetriebenen Wirtschaft. Es darf nicht sein, dass unser überbordender Papierkonsum andernorts zu Zerstörung und Leid führt. Deshalb setzen wir uns für verbindliche gesetzliche Regelungen ein.

Unsere Forderungen:

  • Konsequente Durchsetzung des EU-Waldschutzgesetzes durch unabhängige Kontrollbehörden, die bei Vergehen wirksame Strafen verhängen.
  • Schutz von Menschenrechten, insbesondere der Rechte von Indigenen und der Rechte von Kleinbäuerinnen und Landarbeiter:innen.
  • Verbindliche Reduktions-Ziele für Einweg-Verpackungen, sowie eine verbindliche Einführung von Wiederverwendungs-Systemen (z. B. für Take-Away) durch die neue EU-Verpackungsverordnung!
  • Kein Aufschub und keine gesetzlichen Schlupflöcher mehr für die Verpackungs- und Fast-Food-Industrie!

Was SÜDWIND jetzt tut:

  • Mit unserer langjährigen Expertise wirken wir aktiv auf politische Entscheidungsprozesse ein – in Österreich wie auf EU-Ebene.
  • Mit Kampagnen und Aktionen sensibilisieren wir die breite Öffentlichkeit. Nicht nur Plastikmüll ist ein Problem, sondern auch das viele Papier, für das unzählige Bäume gefällt werden!
  • Wir bekämpfen Lobbyinteressen, die eine gerechte und nachhaltige Lösung des Waldzerstörungs- und „Papierproblems“ verhindern wollen.

Festivals ohne Pappteller – SÜDWIND zeigt, wie’s geht

Unter dem Motto „Festival für das Gute Leben für alle“ lädt SÜDWIND jedes Jahr auf den Campus des Wiener Alten AKH ein. Dort bieten wir eine bunte Mischung aus Livemusik, Podien, Präsentationen und Kinderprogramm; außerdem öko-faire Einkaufsmöglichkeiten – und wie gewohnt viel Kulinarisches aus aller Welt.Das Besondere dabei: Es gibt keinerlei Einweg-Geschirr, keine Pappteller, stattdessen Porzellan und richtiges Besteck, und das bei tausenden Besucher:innen.

Das Wiener Geschirrmobil macht’s möglich! Dieser Leih-Service der Stadt Wien bringt Spülmaschinen im Anhänger an den Ort des Geschehens und liefert auch das nötige Personal mit. Während die Einen noch aßen, wurde das Geschirr für die Nächsten schon zentral gewaschen und wieder an die Essensstände verteilt – so einfach kann Müllvermeidung sein! Entsprechend sauber sah auch der Campus am nächsten Morgen aus. Bleibt zu hoffen, dass viele große Veranstalter:innen dem Beispiel folgen …