Die Ausbeutung Indiens für Europas Schuhe

Wien, 5. Oktober 2016 – Zwei Wochen nach dem Test österreichischer Schuhhersteller auf Überschreitung des Grenzwerts von giftigem Chrom VI in Lederschuhen veröffentlichen heute die Clean Clothes Kampagne, GLOBAL 2000, AK Wien und AK OÖ die Chrom VI-Testergebnisse von 22 europäischen Schuhfirmen, darunter Birkenstock, Deichmann, Prada und Adidas. Der Test deutet darauf hin, dass sich die Einführung der gesetzlichen Obergrenze für sechswertiges Chrom in Lederwaren für die VerbraucherInnen positiv ausgewirkt hat: In keinem der getesteten Schuhpaare wurde der gesetzlich festgelegte Grenzwert von 3mg/kg überschritten. Die ebenfalls heute vorgestellte Studie über die indische Lederschuherzeugung deckt jedoch auf, dass Menschen, die Schuhe für den europäischen Markt fertigen, mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen konfrontiert sind.

Noch lange nicht fair
Indien ist das Land mit der weltweit zweitgrößten Schuhproduktion nach China – allein im Jahr 2015 produzierte das Land über 2,2 Mrd. Paar Schuhe. Die Studie „Auf der Stelle (ge)treten“ basiert auf der Befragung von Beschäftigten mehrerer Schuh- und Lederfabriken in Ambur in Südindien und Agra in Nordindien. „Die Erzählungen der Arbeiterinnen und Arbeiter zeichnen ein erschreckendes Bild des Arbeitsalltags in der indischen Schuh- und Lederproduktion“, zeigt sich Gertrude Klaffenböck von der Clean Clothes Kampagne betroffen. Die Befragten berichten von Löhnen weit unter dem Existenzminimum, von erzwungenen Überstunden, unzureichendem Schutz vor Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, Verbot von Gewerkschaften und Diskriminierung aufgrund von Geschlechts- oder Kastenzugehörigkeit. 

Kamakshi, Beschäftigte in einer Schuhfabriken in Ambur, Indien, erzählt im Interview: „Durch das Arbeiten im Stehen leiden viele von uns an Arthritis und Gelenkschmerzen. Der Gestank des Leders und der Chemikalien in der Fabrik macht uns oft benommen und appetitlos, selbst nach einem langen Arbeitstag. Arbeitsunfälle sind keine Seltenheit. Möglichkeiten sich zu beschweren gibt es nicht.“

Die Ausbeutung Indiens für Europas Schuhe
In Indien sind mehr als eine Million Menschen in der Schuhindustrie beschäftigt, in der Lederindustrie insgesamt über 2,5 Millionen. Dabei sind Lederschuhe bei weitem das bedeutendste Produkt der indischen Schuhindustrie, sowohl in der Produktion als auch im Export. „Die meisten Exporte gehen nach Europa. Wer also wissen will, unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen die Lederschuhe hergestellt werden, die in Europa getragen werden, muss zunächst nach Indien blicken“, so Lisa Kernegger von GLOBAL 2000.

Trotz der weitreichenden Arbeitsgesetzgebung nehmen die prekären Arbeitsverhältnisse in Indien zu. Die Daten der letzten 25 Jahre zeigen, dass die Löhne kaum mit der Inflation mithalten konnten. Keine der für die Studie befragten ArbeiterInnen verdient einen existenzsichernden Lohn. „Internationale Markenunternehmen, die ihre Schuhe in indischen Fabriken produzieren lassen, müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und dringend sicherstellen, dass sie ihre Profite nicht weiterhin auf Kosten der Menschen erzielen, die am entferntesten Ende der Wertschöpfungskette stehen“, fordert Klaffenböck.

Österreichische Umweltzeichen für Schuhe
Dass faire Produktionsstandards und Transparenz möglich sind, zeigt das Österreichische Umweltzeichen für Schuhe. Das Gütesiegel fordert die Bezahlung von Existenzlöhnen und verbietet die Verwendung von Chrom gegerbtem Leder. Die Kriterien folgen einem ganzheitlichen Ansatz von der Herkunft der Ausgangsmaterialien bis hin zur Endfertigung.

Hintergrundinformationen und Fotos:


Rückfragehinweis:

Lisa Kernegger, GLOBAL 2000, 0699 14 2000 22, lisa.kernegger@global2000.at

Gertrude Klaffenböck , Südwind/Clean Clothes Kampagne , 0676 4460833
gertrude.klaffenboeck@suedwind.at

Michael Lachsteiner, GLOBAL 2000 Pressesprecher , 0699 14 2000 20, michael.lachsteiner@global2000.at

 

Die Clean Clothes Kampagne (CCK) setzt sich für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Sportartikelproduktion ein. Die CCK ist Teil der Clean Clothes Campaign, einer Koalition von Kampagnen in 17 europäischen Ländern mit einem Netzwerk von über 250 Partnerorganisationen weltweit und wird in Österreich von Südwind koordiniert und von zahlreichen gewerkschaftlichen, kirchlichen, frauen- und entwicklungspolitischen Organisationen getragen. Gemeinsam mit Partnerorganisationen in Europa und Asien widmet sich die CCK  gerade unter dem Motto „Change your Shoes“ verstärkt den Arbeitsbedingungen in der Schuhindustrie.

Diese Presseaussendung wurde von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit und der Europäischen Union gefördert. Die vertretenen Standpunkte geben die Ansicht der Clean Clothes Kampagne wieder und stellen somit in keiner Weise die offizielle Meinung der Fördergeber dar.