Wien, 20.11.2019: Inditex, der Textilgigant zu dem unter anderen die Marke Zara gehört, präsentiert sich gerne als transparentes Unternehmen, dem das Wohlergehen seiner Näherinnen besonders am Herzen liegt. Recherche von Public Eye (CCC Schweiz) zu den Produktionsbedingungen eines symbolträchtigen Zara-Hoodies aber zeigen anderes: Dumpinglöhne, exzessive Überstunden, prekäre Arbeitsverträge - den massiven Preisdruck, den der Modekonzern auf seine Zulieferer ausübt, haben am Ende die Arbeiterinnen und Arbeiter zu tragen. Laut der von Public Eye, Clean Clothes Campaign und BASIC erstellten Schätzung verdient Inditex an jedem Kleidungsstück zwei Mal mehr als alle in der Herstellung involvierten Personen zusammen.
Mit der Recherche unterzog Public Eye (CCC Schweiz) die Marketingfloskeln von Inditex einem Faktencheck: Es wurden die Spuren eines Kapuzenpullovers aus der Nachhaltigkeitskollektion „Join Life“ zurückverfolgt ─ bis ins türkische Izmir. Der vielversprechend klingende Hoodie-Aufdruck „R-E-S-P-E-C-T: find out what it means to me“ ist eine Referenz an den Song von Soulkönigin Aretha Franklin, die Fakten aber zeigen das genaue Gegenteil: Recherchen entlang der Lieferkette zeigen einen enormen Preisdruck den der Modegigant auf Zulieferer ausübt. Eine mit der Herstellung von 20‘000 (in Deutschland für je 29,95 Euro verkauften) Hoodies beauftragte Fabrik verdient pro Stück gerade mal neun türkische Lira (1,53 Euro). Und die Druckerei dürfte gerademal rund 10 Rappen pro Print erhalten haben. Angesichts solcher Tiefstpreise gehen Fabrikbesitzer meist den Weg ihrem Personal weniger zu zahlen, als dieses verdienen müsste, oder sie länger arbeiten zu lassen, als sie sollten.
Die Löhne von denen man uns berichtet hat, liegen zwischen 2000 und 2500 türkische Lira (310-390 Euro). Das entspricht etwa einem Drittel des von der Clean Clothes Campaign errechneten Existenzlohns von 6130 Lira. In einer der besuchten Fabriken lief die Produktion rund um die Uhr, aufgeteilt in nur zwei Schichten. Folglich dürfte auch nachts zwölf Stunden gearbeitet werden. Das würde nicht nur Inditex‘ internen Richtlinien[1] sondern auch dem türkischen Gesetz widersprechen, das die nächtliche Arbeitszeit auf maximal 7,5 Stunden beschränkt. In einer der Produktionsstätten arbeitet ein beträchtlicher Teil des Personals auf der Basis von Tagesverträgen, also ohne Gewissheit, ob sie am Tag darauf noch Arbeit haben. Aus Angst, den Auftraggeber oder die Anstellung zu verlieren, wollte sich kaum einer der Befragten zitieren lassen.
Da der Fast Fashion-Riese keinerlei Zahlen zu den Löhnen seiner Lieferanten oder zu Einkaufspreisen angibt, hat Public Eye zusammen mit Partnern von der Clean Clothes Campaign und BASIC detailliert nachgerechnet, wie sich der Verkaufspreis des Hoodies in etwa zusammensetzt. Das Resultat: Inditex verdient pro Stück 4,20 Euro, das ist etwa doppelt so viel wie alle übrigen in der Herstellung involvierten Personen zusammen (2,08 Euro) – von den indischen Baumwollfeldern über die Spinnerei im zentraltürkischen Kayseri bis in die Fabriken von Izmir. Nur 3,62 Euro pro Pullover wären nötig, um aus den aktuellen Hungerlöhnen garantierte Existenzlöhne zu machen. Im vergangenen Rekordjahr belief sich der Nettogewinn von Inditex auf 3,44 Milliarden Euro. Der Branchenprimus muss die Herstellerinnen und Hersteller seiner Produkte endlich an diesem Erfolg teilhaben lassen.
Weitere Informationen hier oder bei
Gertrude Klaffenböck, Clean Clothes Kampagne, Österreich, 0043 676 4460833, gertrude.klaffenboeck@suedwind.at
Oliver Classen, Mediensprecher Public Eye, Schweiz, 0041 (0) 44 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch
Weiterführende Informationen auch unter:
[1] Der Verhaltenskodex von Inditex schreibt vor, dass ihre Zulieferer Gehälter zahlen sollen, „die in jedem Fall reichen, um zumindest die Grundbedürfnisse der Arbeitnehmer und ihrer Familien sowie alle übrigen angemessenen Bedürfnisse zu decken“.