Südwind Studie: Extremismusprävention in Österreich braucht bessere strukturelle und finanzielle Förderung

Aktionsplan gegen Extremismus entwickelt – Prävention muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden

Wien, 16.10.2020: „Prävention von gewaltbereitem Extremismus in Österreich“ so lautet der Titel der von der entwicklungspolitischen Organisation Südwind in Auftrag gegebenen Studie. Sie wurde heute im Rahmen der Fachtagung zu Extremismusprävention in Wien vorgestellt und beleuchtet, warum sich Jugendliche dem Extremismus zuwenden. Aufbauend wurde ein Aktionsplan entwickelt und im Anschluss mit FachexpertInnen diskutiert.

Den einen Grund, warum sich Jugendliche extremistischen Gruppen zuwenden gibt es nicht – so lautet eine zentrale Aussage der neuen Studie zu Extremismusprävention in Österreich. Oft ist es eine Kombination aus frühen Gewalterfahrungen, prekären familiären Verhältnissen, fehlenden Bezugspersonen und traumatisierenden Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus.

Als Motivation für den Anschluss an extremistische Gruppierungen dienen häufig die Suche nach der eigenen Identität und der Wunsch nach Akzeptanz. „Extremistische Gruppen bieten Zugehörigkeit. Das ist vor allem für Jugendliche, die sich von ihrem Umfeld als „nicht wertvoll“ wahrgenommen fühlen und ihren Platz in der Welt noch nicht gefunden haben, reizvoll.“, ordnet Elisabeth Nagy, Südwind Mitarbeiterin, die Studienergebnisse ein.

Orte an denen Jugendliche mit Extremismus in Kontakt kommen, sind laut Studie breit gestreut. Je nach Region und sozialem Umfeld können das beispielsweise Jugendclubs, Sportanlagen, Parks, Religionsstätten oder das Internet sein. „Expertinnen und Experten sind sich einig: Anfälligkeit für Extremismus kann keiner bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zugeschrieben werden. Die Vielfalt an Gründen aber auch an Orten macht Extremismusprävention zu einer gesellschaftlichen Aufgabe, die sowohl finanziell als auch strukturell gefördert werden muss“, erklärt Nagy weiter.

Eine weitere Gemeinsamkeit vieler extremistischer Gruppen ist laut Studie ihre Verehrung von starken, männlichen Rollen. Die Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau ist meist in der Vorstellung extremistischer Gruppierungen naturgegeben und unveränderbar. Im kritischen Hinterfragen und in der Auflösung gerade auch dieser Rollenbilder sieht die Studie aber auch Möglichkeiten für die Präventionsarbeit.

„Die Gründe, Orte und Formen von Extremismus der Jugendlichen, die sich extremistischen Gruppierungen anschließen, sind vielfältig. Extremismusprävention ist die Aufgabe von Politik und Gesellschaft und betrifft uns somit alle.“ erklärt Nagy abschließend.

Basierend auf den Erkenntnissen der Studie wurde auch ein Aktionsplan für die Extremismusprävention abgeleitet und mit einer ExpertInnenrunde aus Strafvollzugsbediensteten, Lehrpersonen, Jugend- und SozialarbeiterInnen, PsychotherapeutInnen sowie Ministerien, Ländern & Gemeinden im Rahmen eines Runden Tisches diskutiert. Dieser beinhaltet folgende Forderungen:

  • Eine bessere Finanzierung von Extremismuspräventionsstellen.
  • Mehr Vernetzungsmöglichkeiten für AkteurInnen der Extremismusprävention.
  • Unterstützung von LehrerInnen in der Extremismusprävention in Schulen.
  • Mehr politische Bildung und kritische Auseinandersetzung mit den Themen Polarisierung, Diskriminierung und Rassismus im Schulunterricht
  • Verstärkte Unterstützung für Erziehungsberechtigte und Eltern von Jugendlichen, die mit extremistischen Gruppierungen in Kontakt gekommen sind.

Die Studie und der Aktionsplan zum Download:

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan, Südwind-Pressesprecher, E-Mail: vincent.sufiyan@suedwind.at, Tel.: +43 650 96 77 577

Die partizipative Studie wurde im Rahmen des EU-Projekts „Rhizome against Polarisation“ erstellt, welches in Österreich von der entwicklungspolitischen Organisation Südwind koordiniert und durchgeführt wird. Das Projekt hat zum Ziel, soziale Polarisierung und gewalttätige Radikalisierung in Europa durch einen menschenrechtsbasierten Ansatz zu verhindern, und den sozialen Zusammenhalt der Zivilgesellschaft zu stärken.