Erster Schritt für verbindliche Konzernverantwortung auf EU-Ebene am Weltfrauentag möglich –Globale Textilindustrie steht vor besonders großem Aufholbedarf – Südwind und die Clean Clothes Kampagne fordern in einem Offenen Brief klare Regeln für Unternehmensverantwortung
Wien / Brüssel, 5. März 2021. Anlässlich des Weltfrauentags erinnern die Menschenrechtsorganisation Südwind und die Clean Clothes Kampagne an die besonders problematischen Arbeitsbedingungen von Frauen in der weltweiten Textilindustrie und fordern klare Gesetze gegen die Ausbeutung entlang internationaler Lieferketten. „Die weltweite Textilindustrie ist immer noch ein Hochrisikobereich für Frauen. Etwa 80 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter sind Frauen. Trotz oftmaliger Besserungsversprechen der Modekonzerne stehen Diskriminierung, Unsicherheit bis hin zu sexualisierter Gewalt immer noch an der Tagesordnung“, erklärt Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne bei Südwind. Passend zum Weltfrauentag hat das Europäische Parlament nun die Möglichkeit, einen wichtigen Schritt gegen diese diskriminierenden Praktiken zu setzen. In einem Offenen Brief an die EU-Abgeordneten fordern Südwind und die Clean Clothes Kampagne ein umfassendes Gesetz für Unternehmensverantwortung. Demnach müssten vor allem die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen als entscheidende Grundrechte für alle Arbeitnehmer*innen anerkannt werden.
Internationale Modekonzerne lassen weiterhin vorrangig in Ländern mit unzureichendem Schutz für ihre Arbeitnehmerinnen produzieren. „Frauen, die Kleidung für glamouröse Marken herstellen, haben im eignen Leben mit Hungerlöhnen, Belästigungen und Übergriffen am Arbeitsplatz, verweigertem Mutterschutz oder gegen brand- und einsturzgefährdeten Fabriken zu kämpfen. Nach jahrelangem Ringen steht die EU jetzt vor einer wichtigen Weichenstellung“, erklärt Südwind-Expertin Klaffenböck und verweist auf die für 8. März geplante Abstimmung über einen Bericht des EU-Rechtsausschusses zu Sorgfaltspflicht und Haftung von Unternehmen („Corporate Due Diligence and Corporate Accountability“). „Ein deutliches Ja zum neuen Bericht bedeutet eine starke Grundlage für eine EU Regelung, die Unternehmen und Konzerne zur Verantwortung zieht, wenn Menschenrechte und Umweltbestimmungen entlang ihrer Lieferketten verletzt werden“, so Gertrude Klaffenböck.
Konkret fordert der neue EU-Bericht die Verankerung von menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflichten für Unternehmen und risikobehaftete Klein- und Mittelbetriebe (KMU). Er unterstreicht die Notwendigkeit von Strafen und zivilrechtlicher Haftung für Schäden oder bei Versäumnissen der angemessenen Sorgfaltspflicht.
Mehr als eine halbe Million Bürger*innen und 700 zivilgesellschaftliche Organisationen haben die EU im jüngsten Konsultationsprozess aufgefordert eine bessere Regulierung von Unternehmen zum Schutz von Arbeiter*innen, Umwelt und Menschenrechten auf den Weg zu bringen. Klaffenböck: „Der Gewalt, der Ungleichbehandlung und der Abwertung von Frauenarbeit in den Wertschöpfungsketten von Unternehmen muss auch durch gesetzliche Regeln Einhalt geboten werden.“
Die Clean Clothes Kampagne ist eine internationales Netzwerk, das sich für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Sportartikelindustrie einsetzt. In Österreich wird die Clean Clothes Kampagne von 13 Organisationen getragen und seit 2001 von Südwind koordiniert.
Der Offene Brief steht hier zum Download zur Verfügung.
Die Stellungnahmen der Clean Clothes Campaign zur Regelung menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht finden Sie hier: Fashioning Justice
Nähere Informationen zu Transparenz und Entlohnung in Lieferketten von mehr als 100 Modeunternehmen finden unter: fashionchecker.org