Nach Skandal bei OMV-Tochter in Belgien sieht Menschenrechtsorganisation Totalversagen bei Sorgfaltspflichten und Kontrollorganen: „Republik Österreich steht als Miteigentümerin in der Verantwortung“ – Berichte über Vertuschung sorgen für eine verheerende Optik
Wien, 3. August 2022. Vergangene Woche wurden auf der Großbaustelle des österreichischen Chemiekonzerns Borealis in Antwerpen 55 mutmaßliche Opfer von Menschenhandel entdeckt. Opferschutzorganisationen sprechen heute von 174 Fällen und dem wohl größten Fall von Menschenhandel in Belgien. „Die Berichte erinnern an Fälle von moderner Sklaverei, wie etwa in der Bauwirtschaft von Qatar. Es ist untragbar, dass ein Unternehmen zum Teil in österreichischem Staatsbesitz in einen derartigen Skandal verwickelt ist. Die Republik Österreich als Miteigentümerin darf sich in diesem Fall nicht in Stillschweigen üben“, sagt Südwind-Geschäftsführer Konrad Rehling. „Finanzministerium und ÖBAG sind hier verpflichtet, für eine umfassende Aufklärung zu sorgen und strenge Regelwerke für menschenrechtskonforme Arbeitsbedingungen aufzubauen.“
Die größtenteils aus den Philippinen und Bangladesch stammenden Männer wurden laut Medienberichten unter falschem Vorwand nach Europa gebracht, um trotz irregulärem Aufenthaltsstatus auf der Borealis-Baustelle für höchstens 650 Euro pro Monat sechs Tage pro Woche zu arbeiten. Eine der Unterkünfte der Arbeiter wurde von der Stadt Antwerpen nach Bekanntwerden des Skandals für unbewohnbar erklärt. Erschwerend hinzu kommt, dass laut Berichten des flämischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks VRT NWS der österreichische Chemiekonzern schon im Mai über die Ausbeutung von ausländischen Arbeitskräften auf seinem Werksgelände informiert war.
„Beim Borealis-Skandal zeigt sich ein Totalversagen bei unternehmerischen Sorgfaltspflichten und Kontrollorganen“, sagt Konrad Rehling. „Ein unternehmenseigener Code of Business Conduct nutzt wenig, wenn es keine Überprüfung gibt und eingebrachte Beschwerden unbeantwortet bleiben.“ In einer ersten Reaktion nach Bekanntwerden hatte der Chemiekonzern die Verantwortung zuerst auf das Sub-Unternehmen abgewälzt und nur in weiterer Folge die Zusammenarbeit mit diesem vorübergehend ausgesetzt.
Für Südwind zeigt der Fall einmal mehr die dringende Notwendigkeit für ein strenges EU-weites Lieferkettengesetz. Südwind-Geschäftsführer Rehling: „Es braucht einen Gesetzesrahmen, der Unternehmen konsequent zur Haftung über ihre gesamte Lieferkette verpflichtet, um Schlupflöcher für Menschenhandel und moderne Sklaverei zu schließen.“