In Sari gekleidete Frau mit Mund-Nasenschutz betätigt eine große Maschine in einer Textilfabrik in Bangladesch für Lederwaren und Schuhe
Bangladesch, Textilfabrik für Lederwaren und Schuhe / Foto: Bangladesh Labour Foundation
In Sari gekleidete Frau betätigt eine Nähmaschin in einer Textilfabrik in Bangladesch für Lederwaren und Schuhe
Bangladesch, Textilfabrik für Lederwaren und Schuhe / Foto: Bangladesh Labour Foundation
Zwei Personen betätigen eine große Maschine in einer Textilfabrik in Bangladesch für Lederwaren und Schuhe
Bangladesch, Textilfabrik für Lederwaren und Schuhe / Foto: Bangladesh Labour Foundation

Neuer Südwind-Check für Leder-Labels zeigt wenig Schutz von Arbeitsrechten

Südwind und INKOTA untersuchen Gütesiegel für Lederwaren und Schuhe: Sozialkriterien und Arbeitsrechte werden kaum beachtet - Große Unterschiede bezüglich Transparenz und Geltungsbereich

Wien / Berlin. am 30. März 2023. Eine neue Untersuchung der beiden entwicklungspolitischen Organisationen Südwind und INKOTA-netzwerk zeigt große Unterschiede bei Zertifizierungssystemen von Lederwaren. Die sechs untersuchten Labels variieren teils massiv in der Höhe der Anforderungen und der Seriosität der Kontrollen. „Wer sozial und ökologisch nachhaltige Lederwaren und Schuhe sucht, wird dafür kein umfassendes Gütesiegel finden“, sagt Gertrude Klaffenböck, Lieferketten-Expertin bei Südwind. Vor allem beim Schutz von Arbeitsrechten und Sozialstandards zeigen die untersuchten Zertifikate große Mängel. Darüber hinaus eint alle Labels die grundlegende Schwäche, dass es sich um freiwillige Initiativen handelt. „Unternehmen, die ihre Umwelt- und Sozialstandards nicht einhalten, riskieren höchstens den Entzug des Zertifikats. Für eine verbindliche Einhaltung von Arbeitsrechten und Umweltstandards braucht es eine entsprechende Rechtsgrundlage in Form von Gesetzen und einer effektiven Durchsetzung, gerade in einem so prekären Bereich wie der Lederverarbeitung“, so Gertrude Klaffenböck. 

Die von Südwind und INKOTA untersuchten Leder-Labels sind das „Umweltzeichen Blauer Engel für Schuhe“, „Oeko-Tex Leather Standard“, „Naturleder IVN zertifiziert“, das „Österreichische Umweltzeichen“ sowie die beiden Business-to-Business- Zertifizierungssysteme „Leather Working Group (LWG)” und „Higg Brand and Retail Module (Higg BRM)”. Davon basieren nur der Blaue Engel und das Österreichische Umweltzeichen auf gesetzlichen Regelungen. Die anderen vier orientieren sich vornehmlich an Interessen der Stakeholder. Der Fokus der Siegel liegt vor allem auf Material-bezogenen Kriterien und Umweltindikatoren. Für arbeits- und menschenrechtliche Kriterien gibt es nur sehr schwache Vorgaben. So werden Sozialstandards bei LWG und Oeko-Tex Leather Standard nicht miterfasst. Higg BRM bietet dazu keine Informationen. Ausreichende Angaben zu existenzsichernden Löhnen gibt es bei keinem der untersuchten Gütesiegel.

Leder-Zertifikate sind kein Beleg für Sorgfaltspflicht
Alle Labels haben die gleichen grundlegenden Schwachstellen: Ihre Anwendung ist freiwillig und die Überprüfung ist intransparent. So gibt es kaum Einblicke in die Audits, die den Zertifizierungen zugrunde liegen, oder gar Details zu den Ergebnissen. „Für menschenrechtliche Sorgfaltspflicht sind Gütesiegel kein ausreichender Beleg. Sie bieten höchstens eine eingeschränkte Risikominimierung, vor allem bei ökologischen Faktoren“, sagt Südwind-Expertin Klaffenböck und fordert: „Die Politik muss die Einhaltung geltender Arbeits- und Menschenrechte sowie Umweltstandards durch Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette gewährleisten. Dafür braucht es Regeln für verbindliche Sorgfaltspflichten im Rahmen strenger Lieferkettengesetze, deren Einhaltung vor Gericht eingeklagt werden kann. Selbstverpflichtung und intransparente Prüfungen reichen nicht aus.“  

Die OECD hat die Lederproduktion als besonderen Risikosektor für Arbeitnehmer:innen ausgewiesen. Bei der Produktion von Lederwaren und Schuhen sind massive Arbeitsrechtsverletzungen keine Seltenheit. Geringe Löhne, extrem lange Arbeitstage und kaum regulierte Arbeitsbedingungen sind die Regel. Dazu kommen ein intensiver Einsatz schädlicher Chemikalien, mangelhafte Schutzausrüstung und weitreichende Umweltrisiken.

Über den „Label Check: Leder und Lederschuhe“: 
Der Bericht „Qualitätsstandards und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten. Label Check: Leder und Lederschuhe“ gibt einen Überblick über Ziele und Geltungsbereich von fünf unterschiedlichen Zertifizierungssystemen. Die Auswahl orientiert sich an der von Südwind und INKOTA durchgeführten Unternehmensbefragung zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht 2022, in der Unternehmen im Lederwaren- und Schuh-Sektor Auskunft über die von ihnen umgesetzten Zertifizierungssysteme gegeben haben. Berücksichtigt wurden sowohl ökologische und soziale Kriterien als auch die Bereiche Tierwohl und Transparenz. Die Grundlage für die Analysen bilden öffentlich zugängliche Informationen. Die Bewertung wird in einer Matrix zusammengefasst und die jeweiligen Anforderungen und deren Umsetzung farblich kennzeichnet.

Über Together for Decent Leather:
Die österreichische Menschenrechtsorganisation Südwind ist einer von sieben Partnern der europäisch-asiatischen Initiative Together for Decent Leather. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen entlang der internationalen Lieferketten von Lederwaren zu verbessern und zu einem Ende von ausbeuterischer Arbeit beizutragen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Zentren der Lederproduktion in Südasien, insbesondere in den Bezirken Vellore und Chennai in Tamil Nadu in Indien, im Großraum Karachi in Pakistan und im Großraum Dhaka in Bangladesch. www.togetherfordecentleather.org

Download: Bericht: „Qualitätsstandards und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten. Label Check: Leder und Lederschuhe

Download: Unternehmensbefragung:Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Praxis“: Wie kommen Unternehmen ihrer Verantwortung für Menschenrechte in der globalen Lieferkette von Leder(waren) und Schuhen nach?