Menschenrechtsorganisation fordert politische Mitbestimmung von allen Menschen, die in Österreich leben, und warnt vor demokratiepolitischem Abwärtstrend.
Wien - In Österreich leben rund 1,5 Millionen Menschen, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, darunter eine Viertelmillion Menschen, die in Österreich geboren sind. Durch eines der restriktivsten Staatsbürgerschaftsgesetze ist die politische Teilhabe mit hohen Hürden versehen. Während EU-Bürger:innen wenigstens auf kommunaler Ebene wählen dürfen, bleiben landes- und bundesweite Wahlen allen Nicht-Staatsbürger:innen verschlossen. Anlässlich des Tags der Demokratie warnt die Menschenrechtsorganisation Südwind vor einem demokratiepolitischen Abwärtstrend und fordert konkrete Gegenmaßnahmen ein.
„Viele Menschen, die in diesem Land leben und viele, die hier geboren sind, dürfen nach wie vor nicht mitbestimmen, wer politisch über sie bestimmt. Dass ihnen dieses Grundrecht verwehrt wird, ist nicht im Sinne einer funktionierenden Demokratie“, sagt Lena Gruber, Südwind-Referentin für Partizipation. Südwind-Migrationsexperte Stefan Grasgruber-Kerl ergänzt: „Zusätzlich zu einem leichteren Zugang zum Wahlrecht braucht es eine ernsthafte politische Auseinandersetzung mit den Anliegen all jener, die nicht wählen dürfen. So können etwa Beiräte von und für Migrant:innen und innovative digitale Partizipationstools ein wichtiger Hebel sein, um Anliegen in die Politik einzubringen.“
Migrant:innenbeiräte als niederschwelliges Angebot zur Mitbestimmung
Migrant:innen-Beiräte fungieren als beratender Ausschuss für die Stadtregierung beziehungsweise Gemeinde und tragen zur Gestaltung eines breiten Spektrums von politischen Fragen bei. Lena Gruber: “Auch wenn Migrant:innen-Beiräte kein Ersatz für das aktive und passive Wahlrecht sind, sind sie ein niederschwelliges Mittel, um dem Demokratiedefizit in Österreich entgegenzusteuern und zu einem friedlichen Zusammenleben beizutragen. Nur wer mitbestimmt, fühlt sich auch als Teil dieser Gesellschaft.”
In einigen Gemeinden gibt es solche Migrant:innenbeiräte bereits. Jener in Graz ist sogar ein internationales Vorzeigebeispiel, wie kommunale Beteiligung in einer Stadt funktionieren kann. „Leider kommt es aber in anderen Fällen oft vor, dass den Beiräten zu wenig Unabhängigkeit gewährt wird, um weitreichende politische Veränderungen anzustoßen. Das ist oft der Fall, wenn sie von der jeweiligen Regierung zusammengestellt oder finanziell ausgehungert werden“, so Stefan Grasgruber-Kerl von Südwind.
Südwind fordert von der Bundesregierung mehr Engagement für politische Teilhabe:
- Abbau von bürokratischen und finanziellen Hürden auf dem Weg zum Wahlrecht (besonders auf kommunaler Ebene) und zur Staatsbürgerschaft;
- die gezielte Förderung von Migrant:innenbeiräten in ganz Österreich und auf allen politischen Ebenen;
- eine formelle strukturelle Verankerung des Austausches zwischen Beiräten und Politik
- Ausbau innovativer Beteiligungsmöglichkeiten wie E-Partizipationstools für alle Bürger:innen
Südwind bietet Möglichkeiten für politische Teilhabe
Südwind setzt sich seit Jahren gemeinsam mit diasporischen und migrantischen Organisationen für die politische Teilhabe von Migrant:innen ein und erarbeitet dafür konkrete Angebote. Gemeinsam mit dem Migrant:innenbeirat Graz und dem mitgestalten Partizipationsbüro wurde 2023 ein Pilotprojekt zur Förderung der politischen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in Graz gestartet: Das E-Partizipationstool Graz-gemeinsam-gestalten.at ermöglicht einen direkten Austausch zwischen der Stadtregierung und allen in Graz wohnhaften Bürger:innen. Sie können ihre Ideen direkt auf der Plattform und bei Veranstaltungen einbringen, die dann vom Migrant:innenbeirat und der Stadtregierung aufgegriffen und weitergetragen werden. Dadurch wird der Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen erleichtert und der Dialog gefördert.
Die Südwind-Projekte EMVI (Empowering Migrants’ Voices on Integration and Inclusion Policies) und Migrant Voices Heard stärken die politische Teilhabe von Migrant:innen und unterstützen lokale und regionale Behörden sowie Institutionen beim Austausch mit Migrant:innen. Auf internationaler Ebene vernetzt sich Südwind mit inklusionsfördernden Initiativen in ganz Europa, um den Erfahrungsaustausch über Migrant:innenbeiräte und demokratische Teilhabe zu stärken.
Rückfragehinweis
Lena Gruber
Partizipations-Referentin
lena.gruber@suedwind.at
Tel: +43 316 323212
Stefan Grasgruber-Kerl
Leiter Kampagnen
stefan.grasgruber-kerl@suedwind.at
Tel: +43 69910040079
Stefanie Marek
Pressesprecherin
stefanie.marek@suedwind.at
Tel: +43 680 1583016