Nach EU-Lieferkettengesetz und Renaturierungsgesetz blockieren ÖVP-Minister nun ein weiteres fertig verhandeltes EU-Gesetz – Südwind sieht darin ein grobes demokratiepolitisches Foul
Wien, am 05. April 2024. Im Vorfeld der informellen Tagung der EU-Agrarminister:innen von 07. bis 09. April warnt Südwind vor einer gefährlichen Verzögerung der bereits in Kraft getretenen EU-Entwaldungsverordnung. Nach der Blockade des EU-Renaturierungsgesetzes (Nature Restauration Law) und des EU-Lieferkettengesetzes (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) startete nach Wirtschaftsminister Kocher nun der nächste österreichische Minister im Alleingang einen Angriff auf die EU-Umweltgesetzgebung. In einem Brief an die EU-Kommission Ende März forderte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, mitten in der Umsetzungsphase, dass Österreich von den Regeln der EU-Entwaldungsverordnung ausgenommen wird und folgt damit den Forderungen von Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger. Südwind kritisiert das Vorgehen des Bundesministers scharf und fordert eine umgehende Umsetzung der Verordnung und effektiven Waldschutz auch in Österreich.
“Die Verordnung ist das Ergebnis eines jahrelangen demokratischen Gesetzgebungsprozesses und damit ein Kompromiss zwischen allen Mitgliedsstaaten, der Industrie, den Produzenten-Ländern und etlichen Interessengruppen. Es ist hochproblematisch, wenn die Umsetzung einer neuen Verordnung auf Zuruf von Wirtschaftsvertretern einfach ignoriert wird ”, sagt Maria Hammer, Südwind-Sprecherin für Waldschutz. “Die Entwaldungsverordnung ist das stärkste vorhandene Instrument im globalen Waldschutz und ein wichtiges Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise.”
Entwaldung ist global gesehen die zweitgrößte Ursache von CO2-Emissionen. Gleichzeitig schwinden ökologisch intakte Naturwälder im Rekordtempo. Vor allem indigene Menschen, die sich in den betroffenen Regionen wie etwa Südamerika, Südosteuropa oder Skandinavien gegen die Waldzerstörung zur Wehr setzen, sind oft mit Repressionen und Gewalt konfrontiert.
“Die kürzlich vonseiten der Landwirtschaftskammer und Bundesminister Totschnig angekündigte Blockade ist völlig unzulässig. Österreich muss mit gutem Beispiel vorangehen und ausreichende Mittel für Kontrollbehörden und eine strenge Durchsetzung sicherstellen”, fordert Südwind-Expertin Hammer. „Die österreichische Holzlobby versucht nun offenbar mit Halbwahrheiten ein wichtiges Klima- und Waldschutzgesetz zu verhindern, das sie eigentlich längst umsetzen sollte. Die österreichische Bundesregierung steht hier ebenso wie alle anderen Länder in der Pflicht, sich gegen die globale Waldzerstörung einzusetzen.”
Verheerendes Signal für globale Spielregeln
Der Vorschlag Österreichs, strenge Waldschutzgesetze nur für Länder des Globalen Südens gelten zu lassen, nicht aber innerhalb Europas, stellt die internationale Zusammenarbeit auf eine harte Probe und sendet ein verheerendes Signal an globale Märkte, Unternehmen und Staaten aus. Gleichzeitig werden ausgerechnet jene Unternehmen bestraft, die bereits, wie vorgesehen, an einer starken Umsetzung der Entwaldungsverordnung arbeiten.
Viele der vom Bundesminister vorgebrachten Argumente halten einem Faktencheck nicht stand: So gelten etwa in Europa kahlgeschlagene Wälder weiterhin als Wälder. Das von Landwirtschaftsminister und -kammer vorgebrachte Argument, der anwachsenden Waldfläche täuscht somit über Übernutzung und Waldschäden hinweg. Auch der behauptete Mehraufwand für Waldbesitzer:innen muss kritisch hinterfragt werden.
Südwind richtet daher gemeinsam mit Global 2000 einen offenen Brief an Bundesminister Totschnig und fordert die rasche und wirksame Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung.
Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Kommunikationsleiter Südwind
0650 96 77577
vincent.sufiyan@suedwind.at
Maria Hammer
Südwind-Sprecherin für Waldschutz
+43 1 405 55 15 – 326
maria.hammer@suedwind.at
Download: Hintergrund zur Blockade der EU-Entwaldungsverordnung
Download: Offener Brief an Bundesminister Norbert Totschnig von Südwind und Global2000 - unterzeichnet von 37 Nicht-Regierungsorganisation aus 15 EU-Mitgliedstaaten und anderen Nicht-EU-Ländern: