Mein Name ist Simona. Vor rund neun Jahren ergab sich für mich die Möglichkeit, meinen Master in Österreich zu absolvieren. Meine Mutter arbeitete schon sehr lange für eine ältere Dame als 24-Stunden-Betreuerin, diese ältere Dame bot mir schließlich an, während meiner Studienzeit bei ihr zu wohnen. Ich wusste, dass das eine gute Gelegenheit ist und nahm das Angebot an. Während meiner Studienzeit teilten sich meine Mutter und ich die Pflegeaufgaben. Dadurch konnte auch sie eine richtige Ausbildung im Pflegebereich absolvieren und war nicht mehr auf die Arbeit in der 24-Stunden-Pflege angewiesen.
Es gilt hierbei zu verstehen, dass das für meine Mutter eine außergewöhnliche Chance war. So viele Betreuer*innen aus Osteuropa würden eine fundierte Ausbildung im Pflegebereich benötigen, doch in der Slowakei gibt es keine derartigen Angebote und für jene in Österreich fehlen den Betreuungspersonen die finanziellen, wie zeitlichen Ressourcen. Da ich einen sehr persönlichen Bezug zu diesem Thema habe, geht es mir sehr nahe und mir ist es ein großes Anliegen, die rechtliche wie soziale Situation der Pfleger*innen zu verbessern. Daher setze ich mich für dessen Umsetzung nicht nur beruflich, sondern auch ehrenamtlich ein. Ganz besonders jetzt benötigen die Pfleger*innen aus Osteuropa Unterstützung und Beratung, da sich ihre Situation coronabedingt verschlechtert hat. Deshalb habe ich auch gemeinsam mit ein paar Bekannten die Initiative-24 gegründet, die für Betroffene eine rechtliche Hilfestellung bietet. Hierfür vernetzen wir uns über Social Media, es gibt einen Chat und laufend Videobotschaften.
„Die 24-Stunden-Pfleger*innen benötigen besonders jetzt Unterstützung.“
Ich stecke sehr viel Energie in diese Interessensgemeinschaft, bin täglich mehrere Stunden für sie verfügbar. Meine Kraft dafür schöpfe ich aus körperlicher Bewegung. Ich meditiere quasi in Bewegung. Insbesondere das Laufen hilft mir hier, erst wenn ich mich voll auf meine Bewegungsabläufe und meine Atmung konzentriere, bringe ich meine Gedanken zur Ruhe. Diesen Aspekt der inneren Achtsamkeit habe ich mir aus der buddhistischen Lehre angeeignet. Obwohl ich spirituell nicht im Buddhismus lebe, ist mir diese spezielle Praxis sehr wichtig. Mittlerweile merke ich genau, wann mir der innere Druck zu viel wird – dann nehme ich mich bewusst raus.
Manchmal frage ich mich, warum es notwendig ist, aus einem Land auszuwandern, in dem kein Krieg herrscht. Doch die politische und soziale Struktur in der Slowakei ist komplett kaputt. Dort werden zwar Steuern für die Gesundheitsversorgung bezahlt, doch die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind völlig heruntergekommen. Da fragt man sich natürlich, wo das Geld hinfließt. Korruption und Mafia-Strukturen machen ein freies und unabhängiges Leben beinahe unmöglich. Auch eine gute Ausbildung in diesen Bereichen fehlt.
Etwas, das auch ich an meiner Ausbildung vermisste, war das kritische Hinterfragen gewisser Strukturen. Als Studierende bekam ich vorgegeben, was richtig und falsch ist und lernte dies quasi auswendig. Vielleicht ist auch ein Grund, warum die slowakischen Bürger*innen so gut wie nie aufbegehren. Demonstrationen sind sehr selten. Es kommt vermutlich aber auch daher, dass einem Aufbegehren oft eine Drohung an dich und deine Familie folgt, gepaart mit der Angst davor, die Forderungen gegen die etablierten Strukturen nicht durchsetzen zu können. Das Schlimme an den politischen Strukturen ist auch, dass sich die Macht auf einzelne Personen konzentriert, welche universitäre Titel käuflich erworben haben. Somit herrscht Dilettantismus bei politischen Vertreter*innen!
„Ich versuche, von hier aus zu helfen.“
Ich glaube, dass es für eine tatsächliche Revolution Rückkehrer aus dem Ausland benötigen würde. Doch ich erfahre es am eigenen Leib, es ist schwer, sich dafür aufzuopfern. Auch ich schaffe es nicht, mein Leben, das ich mir in Österreich aufgebaut habe, für das Ungewisse aufzugeben. Doch ich bleibe dran und versuche, durch mein Wissen und mein Engagement von hier aus zu helfen.