Südwind und die Stadt Wien luden zur Fachtagung. Sechs internationalen Expert:innen sprachen am 17. Oktober im Wappensaal des Wiener Rathauses.
Wien, am 17. Oktober 2023: Im prunkvollen Ambiente des Wappensaales trafen am Dienstag Botschafter:innen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Verwaltungsangestellte der Stadt Wien sowie Interessierte zusammen, um mehr über global gerechte Lösungen für eine ökologische und soziale Transformation zu erfahren und miteinander in Diskussion zu kommen.
Audiomitschnitt Begrüßung Bouzek & Florianschütz
Den Auftakt machte Helga Kromp-Kolb, emeritierte Universitätsprofessorin für Meteorologie und Klimatologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. In ihrer Keynote fokussierte sie auf die soziale Dimension der Klimakrise und stellte die Frage ins Zentrum, was 1,5° Grad Erderwärmung für wen bedeuten. Denn „wir haben ein wirkliches Problem mit der Verteilung der Auswirkungen.“ Menschen in Ländern des Globalen Südens sind in einer größeren Dimension von den Extremwetterereignissen und Hitzelagen betroffen. Gerade junge Menschen, werden während ihrer Lebensspanne mit einer viel höheren Temperatur leben lernen müssen. Dennoch ist es laut Kromp-Kolb zu spät für Pessimismus: Es brauche eine Volltransformation der Art wie global gewirtschaftet wird. Ein gutes Leben für alle werde nicht den Lebensstandard, aber wohl die Lebensqualität aller Menschen auf unserem Planeten steigern.
UN Jugenddelegierte Jana Berchtold schloss nahtlos an ihre Vorrednerin an und strich im Sinne der Generationengerechtigkeit hervor, dass Jugendliche stärker gehört werden müssen und bei Entscheidungen miteinzubeziehen sind. Sie sind es, die überproportional mit den Auswirkungen der anthropozänen Erderwärmung leben müssen. Dafür bräuchte es laut Berchtold aber viel mehr Räume des Austauschs mit niederschwelligen Zugängen, für die sich die UN-Jugenddelegierte stark macht.
Das unglaubliche Ausmaß an Ungerechtigkeit kam auch im dritten Beitrag von Jacqueline Cottrell zum Ausdruck. Der schottischen Expertin für ökologische Steuer- und Finanzpolitik des Forum Ökosoziale Marktwirtschaft geht es um Steuergerechtigkeit. Ein fairer Ausgleich könnte nicht nur zwischen Ländern des globalen Nordens und des globalen Südens geschaffen werden, sondern auch innerhalb verschiedener Einkommensgruppen eines Landes. Denn die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung tragen weniger als 12 Prozent zu den Emissionen bei, während die reichsten zehn Prozent 48 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verursachen. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung ist sogar für 17 Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich.
Wortstark brachte Pablo Villegas Nava, Leiter des Teams für natürliche Ressourcen des Dokumentations- und Informationszentrums Bolivien (CEDIB) eine Perspektive des Globalen Südens ein. Denn Verwendung von grüner Energie, wie beispielsweise in Elektroautos, führen auch zu einem signifikanten Anstieg des Verbrauchs an Rohstoffen, wie Kupfer oder Lithium. Die Bergbauaktivitäten belasten die Umwelt und schaden der Gesundheit der Menschen enorm. Villegas hebt die Forderung nach einem starken Lieferkettengesetz hervor: Nur wenn die Spielregeln auch von jenen Ländern aufgestellt werden, die reich an mineralischen Vorkommen sind, kann die notwendige Energiewende ohne weitere desaströse Schäden an Umwelt und Menschen erfolgen.
PDF-Präsentation Villegas Nava
Ein Good Practice Beispiel aus der EZA stellte Doris Brenner vor. Sie ist Projektkoordinatorin und Technical Advisor für Ernährungssouveränität bei Brot für die Welt. Obwohl das Mangrovenaufforstungsprojekt in Vietnam „Stärkung der Resilienz von Küstengemeinden im Mekong-Delta“ erst seit Kurzem läuft, sei die positive Wirkung vor Ort bereits jetzt spürbar. So konnten 67 Hektar der Mangroven gepflanzt werden und über 41.000 Bewohner:innen sind durch den Waldschutz besser vor Küstenerosion, Salzwassereinbruch und hohen Wellen geschützt. Über 450 Haushalte erhielten legalen Zugang zu den Wäldern und können durch die Zucht von Fischen und Bienen Einkommen erwirtschaften.
Als letzter Redner wurde Timothy Lenton live aus Exeter (UK) zugeschalten. Er ist Gründungsdirektor des dortigen Global Systems Institute und hat den Lehrstuhl für Klimawandel und Erdsystemwissenschaften inne. Lentons herausragende Arbeit zur Identifizierung der Kippelemente im Klimasystem wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Er sprach in seiner Rede auch über „positive tipping points“. Diese sind, wie negative Kipppunkte, in der Lage sich selbst verstärkende Prozesse in Gang zu setzen, die zu einer notwendigen Transformation führen können. Als Beispiel nannte Lenton die Preise für Solarpaneele und Batterien so weit zu senken, dass Erdöl- und Kohletechnologien wirtschaftlich nicht mehr konkurrenzfähig sind. In einer globalisierten Welt würden andere Regionen folgen, wenn eine Region wie die EU „tippt“. Dies würde zu einer erheblichen Verringerung des globalen CO2-Ausstoßes führen.
Fazit: Die Wissenschaft, die den Beginn und das Ende der EZA-Fachtagung bildete, ist sich in der Sorge einig, dass aufgrund der Datenlage der Klimawandel rascher erfolgt, als erwartet. Zu den Werten, die wir global gesehen erreichen müssen, ist es noch ein langer Weg – die positiven Kippunkte geben aber Hoffnung, dass wir es schaffen können, wenn wir jetzt handeln und alle Perspektiven ins Boot holen.
Audiomitschnitt Podiumsdiskussion
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